Maltes Welt

Herzlich willkommen zu meinem Blog „Maltes Welt“. Hier werde ich in den kommenden Wochen meine persönliche Sichtweise, in verschiedenen Beiträgen, zum Thema Frieden und (Friedens-) Bewegung veröffentlichen, und dabei auch kritische Punkte nicht auslassen. Ihr seid herzlich dazu eingeladen mitzudiskutieren und eure Gedanken einzubringen.

Danke für euer Interesse und auf eine gute Zeit!

Kapitel 11 – Fluch und Segen der Naivität – Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

 

Es ist immer wieder zu beobachten, dass neue Bewegungen aufgrund eines konkreten Anlasses entstehen und explosionsartig größer werden. So war es mit Occupy Wallstreet, den Mahnwachen für den ersten Weltfrieden, als auch mit der Fridays for Future-Bewegung.
Immer gibt es dabei einen konkreten Anlass, wie die Finanzkrise 2008, den Ukraine-Krieg 2014 oder die Klimaerwärmung. Dabei finden sich die Menschen fast immer gegen ein gemeinsames Feindbild zusammen.

„Wenn du weißt wer schuld ist, hat der Tag Struktur.“ – Volker Pispers

Zu Beginn der Bewegung steht dieses Feindbild im Mittelpunkt. Die Menschen kennen sich untereinander noch nicht und die Initiatoren werden für die Anklage gefeiert und ihre Worte ohne eine Relativierung gehört und aufgenommen.

Dabei ergibt sich durchaus eine Situation der Ikonen, wie zum Beispiel bei Greta Thunberg.

Die positive Seite dieser Situation ist, dass sehr schnell sehr viele Menschen mobilisiert werden können. Wo alteingesessenen Friedensakademiker und -akademikerinnen die neue Situation, alle Aussagen, Thesen und Behauptungen zuerst gründlich hinterfragen, analysieren und bewerten, ist die junge Bewegung dabei weiter zu wachsen und nimmt dieses Feuer des Anfangs mit auf ihren Weg.

„Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.“

Was aus einer soziologischen Perspektive auch sehr wichtig ist, die Menschen stehen dort gemeinsam gegen die vorherrschende Meinung auf der Straße. Occupy Wallstreet hatte erkannt, in welche Katastrophe uns unser Geldsystem führt. Die Mahnwachen hatten verstanden, dass auch unsere Medien Propaganda verbreiten und die NATO keine Friedensmacht ist und Fridays for Future hat begriffen, dass wir alle auf Kosten der Umwelt und damit der Zukunft unserer Nachkommen leben.

Diese gemeinsame Erkenntnis, gegen die zumindest gelebte Realität der Masse, verbindet. Was ich bei vielen Bewegungen, auch den kleineren Gemeinschaften, beobachtet habe, ist das Gefühl angenommen zu werden. Bis heute erlebe ich das immer wieder, zum Beispiel auch beim Pax Terra Musica Friedensfestival. Die Menschen werden angenommen und dürfen sein, wie sie sind. Das ist in unserer Ellenbogengesellschaft etwas sehr Besonderes und bis heute der wichtigste Antrieb meiner Arbeit.

Die negative Seite der Naivität

In der ersten, naiven Phase einer neuen Bewegung besteht aber auch eine Gefahr. In dieser Phase können auch Meinungen und Ideologien eingebracht werden, die nicht direkt etwas mit dem eigentlichen Thema der Bewegung zu tun haben müssen. Da zu diesem Zeitpunkt viele der Teilnehmer ganz neue Einsichten erlangen, sind sie naturgemäß offen dafür neue Gedanken und Erklärungen zuzulassen. Innerhalb der neuen Bewegung sind ab einer gewissen Größe mit einer statistischen Sicherheit auch Menschen, deren Meinung die meisten der Teilnehmer ablehnen würden, würden sie diese kennen.

Das Beispiel, welches ich selbst erleben durfte ist die Mahnwachen-Bewegung, die im März 2014 von Lars Mährholz initiiert wurde. Der Auslöser dieser Bewegung war der damals schwelende Konflikt in der Ukraine, der sich immer weiter aufgeheizt hatte und in 8 Jahre Bürgerkrieg und der heutigen Invasion Russlands mündete.

Die Mahnwachen (für den ersten Weltfrieden) waren eine klare Anti-Kriegs-Bewegung, die sich aber auch anfangs ein klares Feindbild gegeben hat. Die Federal Reserve Bank (FED) war als Kern des Imperialismus- und Kapitalismus-Problems angeklagt.

Das klare Feindbild und der Konflikt in der Ukraine, der auch medial stark begleitet wurde, brachte viele Menschen zusammen auf die Straße. Es war eine bunte Mischung, politisch eher links einzuordnender Menschen, die sich jedoch nicht in politische Richtungen einteilen lassen wollten. „Wir sind weder links noch rechts“ war einer der Leitsätze der ersten Stunde.

Die Mahnwachen explodierten mit diesen einfachen Grundlagen, mittels der Sozialen Medien, in ganz Deutschland. Zur Hochzeit fanden im deutschsprachigen Raum wöchentlich 120 Mahnwachen statt und es soll sogar eine Mahnwache in Australien gegeben haben. Bei uns in Berlin waren es im Frühjahr 2014 jeden Montag ca. 3.000 Teilnehmer.

Mit der durch die Imperialismus-Kritik auch zwingende Systemkritik, meldeten sich auch rechte Protagonisten zu Wort. Deren erstes Ziel war und ist nicht die Verhinderung von Krieg sondern die Zerstörung des bestehenden Systems, hin zum Nationalismus und Rassismus.

Diese Annäherungsversuche haben vermutlich die meisten Mahnwachen erfahren.
Die anfangs fehlenden, schriftlich festgehaltenen Grundsätze der Mahnwachen-Bewegung und die zum Teil unerfahrenen Veranstalter, machten eine Unterwanderung von rechten Kräften möglich und leider nicht in allen Fällen erfolglos.
Dieses machte die gesamte Bewegung auch anfällig für Kritiker, dazu aber an späterer Stelle mehr.

Ich selbst habe verschiedene Unterwanderungsversuche bei der Berliner Mahnwache sowohl als Gast, als auch als Mitveranstalter erlebt. Wie bei den meisten anderen Mahnwachen auch, wurden diese Versuche aber Keim erstickt und wir haben uns eine klare anti-faschistische Ausrichtung immer bewahrt.

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